Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo by Christiane F

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo by Christiane F

Author:Christiane F. [F., Christiane]
Language: deu
Format: epub
ISBN: 9783570023914
Amazon: 3570023915
Publisher: Carlsen
Published: 1979-12-14T23:00:00+00:00


Christianes Mutter

An diesem Sonntag, an dem ich die Blutspritzer im Badezimmer sah und Christianes Arme untersuchte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Es war ein harter Schlag. Christiane präsentierte mir sozusagen die Quittung für meine Erziehung, auf die ich so stolz gewesen war. Jetzt sah ich es, ich hatte alles falsch gemacht, und das nur, weil ich die Erziehungsfehler meines Vaters nicht wiederholen wollte.

Als Christiane zum Beispiel anfing in die Sound-Diskothek zu gehen, war ich zwar nicht gerade erbaut, aber ihre Freundin Kessi und andere Jugendliche aus dem Haus der Mitte gingen auch immer ins Sound. Ich sagte mir, na gut, warum soll Christiane nicht auch mal dahin gehen. Die Jugendlichen schwärmten alle vom Sound. Ich musste an all die harmlosen Vergnügen denken, die mein Vater mir als Mädchen verboten hatte.

Mit dieser großzügigen Erziehung fuhr ich fort, als Christiane mir ihren Freund Detlef vorstellte, den sie im Sound kennengelernt hatte. Detlef machte einen sehr guten Eindruck auf mich. Er wusste sich zu benehmen, hatte gute Manieren und ein offenes Wesen.

Alles in allem ein lieber Kerl. Und ich fand’s völlig normal für Christiane in ihrem Alter, dass es jetzt bei ihr das erste Mal richtig funkte. Ich dachte, Hauptsache, der Junge ist anständig. Ich konnte sehen, dass er Christiane auch wirklich gernhatte.

Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass die beiden schon zu dieser Zeit Heroin nahmen, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Denn von ihrer Schwärmerei für Detlef abgesehen, fiel mir bei Christiane nichts Sonderliches auf.

Im Gegenteil, sie schien mir ruhiger und ausgeglichener zu sein, nachdem sie eine Zeit lang doch sehr aufsässig gewesen war. Sogar in der Schule schien es wieder besser zu gehen.

Nach der Schule telefonierten wir regelmäßig miteinander und sie erzählte mir, was sie so macht. Dass sie zu Schulkameraden geht oder Detlef von seiner Arbeit abholt. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden. An den Wochentagen war sie in der Regel zum Abendessen zu Hause. Und wenn sie sich mal verspätete, rief sie an und war eine Stunde später da. Manchmal ging sie dann noch ins Haus der Mitte oder traf sich mit Freunden, wie sie sagte.

Sie half auch wieder im Haushalt mit, was ich oft mit einer kleinen Aufmerksamkeit anerkannte, mit einer Schallplatte oder einer Mark Taschengeld mehr. Mein Freund Klaus fand das nicht richtig. Er meinte, ich solle auch mal an mich denken. Christiane würde mich nur ausnutzen. In gewissem Sinne hatte er vielleicht Recht. Ich hatte eben immer dieses Gefühl, für Christiane etwas Besonderes tun zu müssen, sie für irgendetwas zu entschädigen. Aber so genau habe ich das damals noch nicht sehen können.

Mein Freund war auch dagegen, dass ich Christiane erlaubte, bei ihren Freundinnen zu übernachten. Er glaubte ihr das nicht, dass sie wirklich bei einer Freundin schlief. Aber ihr nachzuspionieren – das war nicht meine Art. Das hatte mein Vater immer bei mir getan, ohne dass ich irgendetwas verbrochen hatte.

Eines Tages erzählte mir Christiane dann, dass sie mit Detlef geschlafen hätte. »Muttichen«, sagte sie, »der war so lieb zu mir, das kannst du dir gar nicht vorstellen.



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